Viele Krankheiten beruhen auf jahrelangem Dauerstress, der durch eine leistungsorientierte Gesellschaft am Laufen gehalten wird. Das vegetative Nervensystem ist durch Höchstleistungen des Sympathikus aus den Fugen geraten. Die Aktivierung des Parasympathikus und damit der weiblichen Seite in uns, kann ein Weg aus diesem Teufelskreis sein und für Entspannung sorgen.
Das wohl am häufigsten auftauchende Wort im Zusammenhang mit den Krankheiten und psychischen Störungen unserer Zeit - von Herz-Kreislauf-Störungen bis hin zum Burn-out - ist „Stress“.
Nicht nur äußere Faktoren und die zivilisatorische Lebens- und Arbeitsweise verursachen Stress, sondern auch das, was nicht unseren Bedürfnissen entspricht. Dazu kommen innere, meist verdrängte Konflikte. Jedes Trauma, alle verdrängten Bedürfnisse, Potenziale und Sehnsüchte erzeugen innere Konflikte, die zu Spannungen führen und unter Druck nach Äußerung drängen. Je tiefer sie verdrängt werden, desto indirekter verschaffen sie sich Ausdruck, und dies geschieht meist durch Ersatzhandlungen wie suchtartiges Einkaufen, Rasen und Drängeln beim Autofahren etc.
Die
Vernachlässigung der weiblichen Seite des Menschen, des Yin-Prinzips,
in einer Leistungsgesellschaft wie der unseren, ist eine der
Hauptursachen von Störungen, Leiden, Krankheiten, ja einer verkehrten
Ordnung, in der Arbeit und Kraftschöpfung, Arbeit und Freude, erfülltes
Leben und Spiritualität zu Gegensätzen wurden.
Innere Wahrnehmung, Führung und Inspiration erfolgen über unsere weibliche Seite, hingegen Energieabgabe und Ausführung über die männliche Seite. Die weibliche Seite, das heißt die Empfänglichkeit, steht somit logischerweise am Beginn jeden Handelns. Je empfänglicher wir sind, desto mehr Energie können wir aufnehmen, nämlich in Form von Liebe, Licht, Kraft und innerer Führung.
Dem weiblichen Prinzip (Yin/Minus-Pol) zugeordnet sind Qualitäten wie
Zum männlichen Prinzip Yang/Plus-Pol) rechnen wir
Der Mensch bildet eine Einheit beider Pole, die auf komplexe Art zusammenwirken. Steht ein Pol nicht mehr oder nicht ausreichend zur Verfügung, kommt es zur Disharmonie und Störung. Beiden Prinzipien werden entsprechende Gehirnhälften mit unterschiedlichen Fähigkeiten zugeordnet.
Zur rechten Gehirnhälfte gehören Intuition,
ganzheitliche Wahrnehmung und Verarbeitung, zur linken
logisch-rationales Denken und Zeiteingebundenheit. Die Unterschiede
werden meist den Gehirnhälften
und ihren Funktionen zugerechnet, die jeweiligen Gehirnhälften hängen aber auch mit jeweils einer halben Körperseite zusammen - und dies überkreuz:
Die linke Körperseite gehört zur rechten Gehirnpartie und die rechte Körperseite gehört zur linken Gehirnpartie, was für die meisten, auch die linkshändigen, Menschen zutrifft. Die Pole verkörpern aber nicht nur geistige Vorgänge, sondern eine jeweils unterschiedliche Steuerung des gesamten Menschen - nervlich, hormonell, funktionell und muskulär.
Noch deutlicher finden wir die unterschiedlichen Pole in der Steuerung der Lebensvorgänge im Menschen. Das vegetative, autonome Nervensystem besteht aus dem Sympathikus und dem Parasympathikus, die gewissermaßen Yang und Yin im Menschen steuern.
Herz-, Kreislauf-, Atmungsfunktion, Verdauung, Stoffwechsel und Ausscheidung sowie Wärme- und Energiehaushalt unterliegen der ständigen Kontrolle des vegetativen Nerven-Systems. Sympathikus und Parasympathikus wirken als Gegenspieler, und ihr Gleichgewicht ist Voraussetzung für die Funktion der Organe und unser Wohlbefinden.
Das sympathische System
dominiert bei physischen und psychischen Stresssituationen, also bei dem, was der Mensch als Bedrohung empfindet. Der Körper reagiert mit Kampf oder Flucht und verstärkter Muskeltätigkeit. Dadurch braucht er mehr Energie und Sauerstoff, die Atemfrequenz steigt, die Bronchien öffnen sich, der Herzschlag wird schneller, der Blutdruck steigt an und die Durchblutung wird stärker. Die Leber stellt schnell den Zuckerspeicher Glukogen bereit, um für mehr Energie zu sorgen, die Verdauungstätigkeit wird reduziert. Die Pupillen erweitern sich, die Haare stellen sich auf, und man schwitzt vermehrt.
Diese Stoffwechselprozesse haben körpersubstanz-abbauenden Charakter. Hält dieser Zustand zu lange an oder überwiegt er, kommt es zu sogenanntem Dauerstress. Dies führt zu körperlichen, seelischen und geistigen Störungen, Krankheiten und Dauerschäden.
Das parasympathische System
das zu Ruhe und Entspannung führt, wirkt umgekehrt. Hier ist der Herzschlag langsamer, die Verdauung aktiv, die Atemfrequenz verlangsamt und die Pupillen sind verengt. Der Körper verdaut, baut Energie auf und speichert sie.
Die Innenwahrnehmung des Menschen gehört zum Parasympathikus, also das Spüren, Fühlen und die Selbstbeobachtung.
Unter dem Einfluss des Sympathikus ist die Aufmerksamkeit nach außen gerichtet. Kein Wunder, dass ständige akustische und visuelle Dauerberieselung, vor allem mit schnellen Bildfolgen wie bei Computerspielen, die Innenwahrnehmung immer mehr verhindert. Die übermäßige sympathische Außenorientierung führt zu Oberflächlichkeit und Verführbarkeit, weil die innere Reaktion ausbleibt, der Kick muss immer intensiver werden, um überhaupt Wirkung zu zeigen. Da keine Befriedigung eintritt, braucht es ständige Wiederholung bzw. Ersatzbefriedigung.
Eine Tiefe des Erlebens und der Gefühle sind nur parasympathisch möglich. Das erzeugt Zufriedenheit auch schon bei vielen kleinen Anlässen. Sympathikus und Parasympathikus ergänzen sich bildlich wie ein Pendel, das hin und her schwingt. Je mehr vom einen, desto weniger vom anderen. Aber die Annahme, dass die Mitte oder jeweils 5o Prozent im Wechsel ideal seien, trügt und ist lediglich die mechanische Auffassung von Balance, denn beide sind funktionell verschieden.
Der
Mensch muss nicht zwischen Hochleistung und Entspannung wechseln,
sondern kann grundsätzlich in einem gelassenen, energiereichen,
kreativen und bewussten Zustand leben und arbeiten. Moderater Wechsel von Spannung und Entspannung ist also angesagt.
Heute hören wir immer wieder von dem Wunsch, im Fluss zu sein, auch bei sportlicher Aktivität, ja sogar auf einem gesteigerten Leistungsniveau. Im Ausdauersport erleben Sportler die Erfahrung von Regeneration. Arbeit, die Freude bereitet und Anerkennung findet, resultiert nicht in Erschöpfung.
Sexuelle Erfahrungen können wie eine kurze Entladung erlebt werden (im Sympathikus), aber auch als lang andauernde, ekstatische Erregungszustände (im Parasympathikus). Viele Menschen
finden nicht einmal mehr im Schlaf Entspannung und Erholung, und Kinder
leiden unter Hyperaktivität und ständiger Unruhe, weil der
Parasympathikus gar nicht mehr zum Wirken kommt.
Im
parasympathischen Zustand geht der Mensch auf Empfang, er wird wie eine
Schale, die sich öffnet und annimmt. Unter dem Sympathikus verschließt
er sich, grenzt sich ab und verbraucht die eigene Energie.
All das trifft auch auf die geistige Ebene zu. Innenwahrnehmung und Empfang bedeuten, dass Inspiration möglich ist. Das Bewusstsein geht auf Empfang und öffnet sich immer tieferen Wahrnehmungen: Hellhören, Hellsehen, Hellriechen, Hellschmecken und Hellwissen. Intuition und Inspiration sind erlernbar. Und ist Lernen nicht auch eine empfangende Tätigkeit?
Gibt es nun einen Weg, das autonome Nervensystem, das ja eben nicht unserer willentlichen Steuerung unterstellt ist, bewusst zu nutzen, ja sogar zu wählen, ob wir eher parasympathisch oder sympathisch agieren wollen, also ob wir Energie aufnehmen oder abgeben?
Die allgemeine Meinung verneint dies, denn das vegetative Nervensystem ist ja doch autonom, also selbstständig arbeitend, heißt es. Nun, es gibt einen Schlüssel, einfach, unmittelbar und direkt den Schalter zum Programmwechsel umzulegen und damit wählen und entscheiden zu können, vor allem dann, wenn wir spüren, dass wir für das, was wir tun wollen, im falschen Programm sind.
Um das eine oder andere Programm einzuschalten, müssen wir nicht die Gehirnhälften bearbeiten, sondern unsere Körperseiten!
Wenn wir das Gewicht im Stehen, Sitzen oder Liegen nach links verlagern, unsere Aufmerksamkeit in die linke Körperseite lenken und bewusst in sie hineinatmen, wird sie aktiviert, und wir werden erleben, dass sich unser Blutkreislauf, der Herzschlag, der Atem, unser Wahrnehmen, Empfinden, Fühlen und Denken verändern. Wir werden ruhiger und entspannter, unser Denken wird verlangsamt. Wir werden weicher, offener und empfänglicher.
Umgekehrt werden wir mit der Aufmerksamkeit auf der rechten, männlichen Seite beim Herzschlag und Atem feststellen, dass wir automatisch unruhiger und leistungsbereiter werden und sich sogar im Ruhezustand Handlungs- oder Bewegungsdruck einstellt.
Diese Erkenntnis revolutioniert unseren Umgang mit dem weiblichen und dem männlichen Pol für den Menschen, denn damit können wir höchst effektiv die Energieaufnahme verstärken und Energien bewusster lenken, ja unseren gesamten Zustand körperlich, emotional, geistig und spirituell beeinflussen.
Entspannung, Energieaufnahme, Geschehen-Lassen, im Fluss sein, Hingabe - das alles geschieht von selbst, weil es ein natürliches Programm in uns ist, außer, der Sympathikus schaltet sich bei ernsthafter Bedrohung ein.
Unser Herz stellt unsere Mitte dar. Was hier als vegetatives Nervensystem beschrieben wird, würde durch unser Herz und unsere innere Führung von selbst gesteuert, wenn uns beide Seiten zur vollen Verfügung stünden.
Unser Herz ist der neutrale Ort
in uns selbst, in dem die Energien ausgeglichen sind. Tief im
Herzensgrund finden wir einen Ruhepol. Unser Herz hat den Zugang zur
tiefsten Wahrheit (das „Herzerkennen“), zu unserer Seele, und es
beherbergt unser inneres Kind, die Fähigkeit, einfach zu sein. Unser
Herz urteilt nicht, kann sich in andere hineinversetzen und hat
Mitgefühl. Veränderungsbereitschaft und sich auf Neues einlassen, auch
das sind Herzqualitäten.
Bedingungslose
Liebe, die Kraft im Universum, die alles verbindet und erhält,
empfangen wir über unser Herz. Liebe besitzt weder Plus- noch
Minus-Qualität, sie ist neutral. Deshalb ist die Herzöffnung und
-zentrierung der Schlüssel zur Balance und Fähigkeit, in der eigenen
Mitte zu sein.
Unser Gefühlszentrum, unser Geist sowie unser Körper mit der weiblichen und männlichen Seite sollten an die Herzsteuerung angeschlossen sein oder dem Herz unterstellt sein.
Solange die weibliche Seite an die emotionale Angst, Gier und an Mangeldenken gekoppelt ist, gehören zu ihr Depression, Hilflosigkeit und Abhängigkeit. Solange die männliche Seite mit emotionaler Angst, Gier und Mangeldenken verbunden ist, resultiert sie in Anstrengung, Kampf und Aggression.
Die Hingabe an die Liebe öffnet und heilt nach und nach unser Herz. Und hilft uns, alles, was zu uns gehört, anzunehmen und auch zu vergeben, denn Vergebung ist eine Herzensangelegenheit. Die Herzzentrierung fördert individuell den Entwicklungsprozess in ein neues menschliches Miteinander, in dem das dualistische Schwarz-Weiß-Denken sowie Angst und Gier, also persönliches Vorteilsdenken, dem Vertrauen, der Verbundenheit, der Verantwortung für das Ganze Platz machen.
Weitverbreitet ist die Auffassung, unsere Emotionen hätten ihren Sitz in den innersten Gehirnwindungen, genauer im limbischen System. Unser Bewusstsein und Denken hätten dagegen ihren Sitz im Neokortex, der Großhirnrinde. Dieses materialistische Denken ist purer Glaube, und was heißt dabei eigentlich Sitz?
Manche Wissenschaftler nehmen an, Intuition und Gefühle würden im sogenannten Bauchhirn, dem enterischen Nervensystem, das als feinmaschiges Netzwerk von ungefähr 100 Millionen Nervenzellen den gesamten Magen-Darm-Trakt umhüllt, gesteuert oder jedenfalls mitbeeinflusst.
Bekannt ist, dass das Sonnengeflecht, der Solarplexus, der auf Höhe des Magens zu lokalisieren ist, ein autonomes Geflecht parasympathischer und sympathischer Nervenfasern ist, in dem Informationen bearbeitet werden, die unter anderem den Magen und Darm regulieren.
Gehirnähnliche
Funktionen steuern also unbewusst die Magen-Darm-Funktionen. 90 Prozent
der Nervenbahnen zwischen Kopf und Bauch laufen vom Bauch in Richtung
Kopf, während nur 10 Prozent in umgekehrter Richtung verlaufen. Der Bauch steuert demnach eher den Kopf als umgekehrt.
Die Neurogastroenterologie, die das sogenannte zweite Gehirn erforscht,
hat entscheidend dazu beigetragen, die Überbetonung der Gehirnsteuerung
infrage zu stellen.
Folgender
Aspekt ist bedeutsam: Der Verstand urteilt nach dem Kriterium richtig
oder falsch, logisch oder unlogisch. Er urteilt und bewertet. Das
Bauchhirn, das die Nahrung in brauchbar und unbrauchbar exakt analysiert
und aufteilt, unterscheidet in gut und böse. 70 Prozent unserer
Abwehrzellen erledigen mit dem Bauchhirn die Aufgabe, die an die 500
Arten potenziell bedrohlicher Lebewesen - Bakterien, Viren, Pilze und
andere Krankheitserreger - in Schach zu halten.
Unsere
Gefühle urteilen aber genauso: Sympathisch oder unsympathisch,
zustimmend oder ablehnend, und genau das macht sich nicht wirklich im
Kopf, sondern im Bauch bemerkbar. Erklären kann das nur, wer davon
ausgeht, dass unser Energiekörper, speziell der Solarplexus, diese
Funktion ausfüllt.
So wie der physische Körper die Nahrung untersucht und aufteilt, so untersucht der Emotionalkörper die Energien, denen wir ausgesetzt sind, und der Verstand die Gedanken, Sätze und geistigen Konstrukte nach bestimmten Kriterien.
Und unser Herz schaut neutral zu!
Das Herz ist eben nicht der „Sitz" der Gefühle. Deshalb kann es die uns prägenden Fühl- und Denkmuster beobachten und eine notwendige Veränderung einleiten. Das vegetative Nervensystem beeinflusst die Verdauung, also die Analyse und Aufspaltung und Verwertung der Nahrung. Dieser Prozess wird aktiviert vom Parasympathikus und gebremst vom Sympathikus.
Bei Dauerstress und Hochleistung verdaut man nicht. Verstopfung ist die Folge. Zu starke Verdauungstätigkeit führt dagegen zu Durchfall, ebenfalls auslösbar durch hohen Stress. Etwa 20 Prozent der Bevölkerung leiden unter Verstopfung und die gleiche Zahl unter dem sogenannten Reizdarm-Symptom.
Erwiesen ist auch, dass sich Traumatisierungen und früherer Lebensstress im Gehirn und Bauch einbrennen und gespeichert werden. Früherfahrungen prägen die Darmfunktionen und legen die Basis für Störungen, denn sie werden im Bauchhirn und im Kopfhirn gespeichert und je mehr Stress in den ersten Jahren erlebt wurde, desto weniger parasympathische Reaktionsmöglichkeiten bestehen infolgedessen.
Im parasympathischen Zustand werden unsere Wahrnehmung und unser Bewusstsein nach innen gelenkt, damit werden wir uns auch der vom Bauchhirn erarbeiteten Informationen und Signale immer bewusster.
Je öfter wir diese fünf Schritte – praktizieren, umso tiefer stellen sich unser Körper, unser Gefühls- und Nervensystem sowie unser Geist darauf ein, mit weiblicher Kraft und Intuition zu handeln.
Diese wahre Balance des vegetativen Nervensystems lässt uns zur rechten Zeit aktiv, aber auch ruhig und entspannt sein. Wir befreien uns wie von selbst von Angst und Begrenzungen und verwirklichen uns dadurch selbst.
Und wir können darauf vertrauen, dass der Yang-Anteil in uns nicht zu kurz kommt, denn letztlich entspringen neue Aktivitäten ja aus der Yin-Energie, nur eben weicher und besonnener.
Nach diesen Betrachtungen können wir die Essenz erkennen, auf die es ankommt: Ohne das Herz und ohne die weibliche Seite werden die alten Strukturen nicht überwunden. Mit den folgenden fünf Schritten eröffnet sich ein Weg zur Selbstheilung und -verwirklichung sowie zum Kraftschöpfen in allen Lebensbereichen.